Sternwarte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1946 - 1968
Nach seiner bedingungslosen Kapitulation am 9. Mai 1945 hörte Deutschland als Nationalstaat auf zu existieren, wurde in vier Besatzungszonen eingeteilt und von den Siegermächten regiert.
Sonneberg gehörte bis zum Juli 1945 zur US-amerikanischen Zone. Nach einem Gebietsaustausch zwischen der US-amerikanischen und der Sowjetischen Besatzungszone kam Sonneberg unter sowjetische Verwaltung. Die Versorgungswege nach Norden und nach Süden waren abgeschnitten, so dass auch die Sonneberger Bevölkerung starken Hunger litt.
Im August 1945 erschien ein sowjetischer Offizier auf der Sternwarte, der im Zivilberuf Astronomie-Professor war. Er hatte von seinen Vorgesetzten den Befehl erhalten, die Demontage der Sonneberger Sternwarte in die Wege zu leiten und das Instrumentarium, die Plattensammlung und die Bibliothek als Reparationsleistung nach der UdSSR zu verbringen.
Die bis dahin größte Katastrophe in der Sternwartengeschichte nahm ihren Lauf.
Jedoch stellte sich bald heraus, dass dieser Astronom, Boris Kukarkin, keine persönliche Rache an Cuno Hoffmeister nehmen und seinen großen deutschen Kollegen nicht um sein Lebenswerk bringen wollte. Andererseits hätte ihn eine Befehlsverweigerung in ein Straflager bringen können.
Schließlich konnte die Gesamtdemontage der Sternwarte verhindert werden, der 40cm-Astrograph und zwei der Himmelsüberwachungskameras jedoch wurden demontiert und gemeinsam mit anderen Auswertungsgeräten nach der UdSSR gebracht. Dieser Verlust riss Lücken in das Sonneberger Forschungsprogramm, die erst in den folgenden 15 Jahren geschlossen werden konnten.
Aber auch von anderer Seite drohte der Sternwarte Gefahr. Durch das Nachkriegschaos war die Verbindung zur Sternwarte Babelsberg und zur Berliner Universität vollkommen unterbrochen. Der Geldfluss von dort versiegte und der Sternwarte drohte die Schließung wegen Geldmangels. C. Hoffmeister bezahlte zunächst den Unterhalt der Sternwarte einschließlich der Personalkosten von seinem Ersparten. Als dies aufgebraucht war, halfen die Stadt Sonneberg und die Zeiss-Stiftung in Jena bis April 1946.
Im April 1946 wurde die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin gegründet. In der aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften hervorgegangenen Einrichtung wurde die außeruniversitäre Forschung der Sowjetischen Besatzungszone organisiert. Die Sternwarte Sonneberg bekam ihre neue Chance.
1949 wurde mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (23.05.) und der Deutschen Demokratischen Republik (07.10.) die deutsche Teilung auf mittlere Sicht stabilisiert.
Ende der 1940er und Anfang der 1950er traten diejenigen Mitarbeiter ihren Dienst an der Sternwarte an, die bis in die 1990er das wissenschaftliche Gesicht der Sternwarte prägten und die nach Cuno Hoffmeisters Tod zum Teil auch Leitungsverantwortung trugen. Zu nennen sind vor allem Wolfgang Wenzel, Woldemar Götz, Gerold A. Richter und Hans Huth. Außerdem wurde bis in die 1960er Jahre hinein die Sternwarte enorm instrumentell und baulich erweitert.
In den Laboratorien wurden unter der Leitung von Nikolaus B. Richter Experimente zur Simulierung des Verhaltens von interplanetarer Materie durchgeführt.
Große Anstrengungen wurden unternommen, um die Lücken, die die Reparationsleistung von 1945 geschlagen hat, zu schließen.
Allmählich hatte man auf dem Erbisbühl mit Platzmangel zu kämpfen: Für die nun zahlreicheren Mitarbeiter mussten Arbeitsräume geschaffen werden, das Plattenarchiv passte nicht mehr in einen Raum, und schließlich sollten ja noch größere Teleskope in Sonneberg aufgestellt werden.
In den Jahren 1957 und 1958 wird trotz enormer Materialengpässe das Neue Hauptgebäude der Sternwarte errichtet. Die 8m-Kuppel für die große Schmidt-Kamera ist rechts zu erkennen, die Kuppel für einen neuen Astrographen von 400mm Öffnung (links) wird gerade aufgebaut. Das Beobachtungshaus für die neue Himmelsüberwachungsanlage fehlt noch.
In den Jahren bis 1962 gelingt es schließlich, auf der Sonneberger Sternwarte die fotografische Beobachtungstechnik sowohl quantitativ als auch qualitativ enorm zu erweitern. 1960 und 1961 wurden auf der Sternwarte zwei Astrographen aufgestellt. Der erste wurde der Sternwarte von der Firma Zeiss in Jena zur Verfügung gestellt (400mm Objektivöffnung und 1900mm Brennweite). Der zweite Astrograph von 400mm Öffnung und 1600mm Brennweite wurde von Cuno Hoffmeister aus privaten Mitteln für die Sternwarte angeschafft.
Die von Hans Huth konzipierte und in der Sternwartenwerkstatt gebaute Himmelsüberwachungsanlage wurde 1962 in Betrieb genommen. Mit ihr wurde es möglich, den gesamten nördlichen Sternenhimmel bis zu einer Deklination von -35° innerhalb einer Nacht komplett in zwei Bereichen des Lichts (blau) und gelb-grün (fotovisuell) zu fotografieren. Sie ist das effektivste Teleskop in der Astronomiegeschichte.
Mit dem sog. Blinkkomparator werden zwei Aufnahmen desselben Himmelsgebietes, die zu verschiedenen Zeitpunkten belichtet wurden, durch schnelles wechselseitiges Betrachten miteinander verglichen. So können Helligkeits- und Ortsänderungen von astronomischen Objekten entdeckt werden.
Cuno Hoffmeister entdeckte fast 10000 Veränderliche und ist 30 Jahre nach seinem Tod noch immer noch der Mensch, dem die meisten solcher Entdeckungen gelangen.
Aber allein der Umstand, dass der Astronom weiß, dass ein kleiner Punkt am Himmel seine Helligkeit ändert, führt ihn noch nicht an sein Ziel. Es gilt, die Koordinaten des neuentdeckten Sterns auszumessen und vor allem sein Helligkeitsverhalten über einen möglichst langen Zeitraum zu verfolgen. Oft gelingt es dann, Rückschlüsse über die inneren und äußeren Zustände des Sterns zu ziehen. Für die Erlangung solcher Messwerte ist das Sonneberger Plattenarchiv geradezu prädestiniert. Wichtig ist selbstverständlich ein hochqualifiziertes Personal.
Obwohl durch die Baumaßnahmen der Akademie und durch die Anschaffung leistungsfähiger Teleskope die Arbeitsmöglichkeiten an der Sternwarte erheblich verbessert wurden, machte sich die zunehmende Einschränkung der Reisemöglichkeiten in das westliche Ausland sehr störend bemerkbar. So konnten u. a. die Sonneberger Astronomen Gerold A. Richter und Wolfgang Wenzel noch 1957/58 an der Sternwarte in Heidelberg arbeiten, um mit den dortigen Instrumenten Lücken zu schließen, die durch den Verlust der 40 cm-Kamera in Sonneberg entstanden waren.
Mit der zunehmenden Abschottung der DDR 'gen Westen, die im August 1961 mit dem Bau der Mauer einen Höhepunkt erfuhr, wurden auch die Arbeitsmöglichkeiten an der Sternwarte nicht nur wegen ihrer grenznahen Lage schwieriger. Cuno Hoffmeister war der letzte Sonneberger Astronom, der in das westliche Ausland reisen durfte.
Um so bemerkenswerter ist der umfangreiche Literaturaustausch mit den ausländischen - westlichen wie östlichen - Sternwarten. An über 200 Institute in aller Welt wurden die in Sonneberg herausgegebenen Schriften "Mitteilungen über Veränderliche Sterne" und "Mitteilungen der Sternwarte zu Sonneberg" gesendet, um als Gegenleistung die von den Partnerinstituten herausgegebenen Schriften zu erhalten. Auf diese Weise konnte bis zum Ende der DDR ein großer Teil der in der Sternwartenbibliothek befindlichen Literatur beschafft werden. Nicht zuletzt war dieser Publikationsaustausch auch deutlicher Ausdruck der internationalen Wertschätzung der fachlichen Arbeit der Sonneberger. Auch in den 1960er Jahren gab es auf dem Erbisbühl einige wissenschaftliche Triumphe. Gerold A. Richter zum Beispiel, seit 1957 Astronom an der Sternwarte, promovierte mit einem ureigenen Thema der Sonneberger Forschung. Er untersuchte in seiner Arbeit die Verteilung der verschiedenen Arten der Veränderlichen Sterne in der Milchstraße. Da viele Veränderlichen-Typen ein bestimmtes Sternenalter repräsentieren, kann durch die Kenntnis der Verteilung dieser Sterne in der Milchstraße u. a. die altersmäßige Zusammensetzung der Milchstraße bestimmt werden. Eine solche Forschungsarbeit konnte erst durch die systematische Entdeckung und Analyse von einigen tausend Veränderlichen in Sonneberg möglich werden.
Während die Sonneberger Astronomen eine astronomisch gesehen glückliche und fruchtbare Zeit erlebten, zeichneten sich ab 1966 neue Probleme mit den Machthabern ab. Im Zuge der sogenannten Akademiereform wurde Cuno Hoffmeister im Juli 1967 als Direktor seiner Sternwarte abgesetzt und die Umstrukturierung der außeruniversitären astronomischen Forschung in der DDR beschlossen. Was als Reform bezeichnet wurde, hätte fast die Schließung der Sternwarte 1969 bedeutet. All diese Vorgänge konnte Cuno Hoffmeister nicht verwinden und starb bald darauf.
Mit Cuno Hoffmeister starb am 2. 2. 1968 eine der bekanntesten und erfolgreichsten Persönlichkeiten der Astronomie. In den 1950er und 1960er Jahren mahnte er immer wieder gegen die Abschottung der DDR gegenüber dem Ausland und rief 1955 die UdSSR zur Einstellung aller Kernwaffenversuche auf. Er kam damit den damals Regierenden ungelegen und wurde als Direktor seiner Sternwarte abgesetzt.
(Autor: Thomas Weber)